5.Kapitel: Badgespräche

Neugierig sah Fenrir sich in dem Raum um.

Er war, für ein Schiff, relativ geräumig, auch wenn es hier kein Fenster nach draußen gab.

Es gab Platz genug, um zwei normale Einzelbetten auf zu stellen, je eines auf einer Wand. Wenn man von der Tür hereinkam, dann befand sich der Schreibtisch und somit der Arbeitsplatz der Schiffsärztin auf der linken Seite, direkt neben der Tür. Neben dem Schreibtisch gab es niedrige Regale, alle davon in irgendeiner Art gefüllt mit Akten oder Fächern, in denen sich anderer Papierkram zu stapeln schien. Dennoch besaß alles hier keine Unordnung, sondern erschien Fenrir penibel geordnet.

Auf der linken Wand von der Tür aus, stand eines der Betten und war, ähnlich wie das auf welchem Fenrir saß, mit weißem Bettzeug bezogen. Weiter an der Wand gegenüber stand ein großer Schrank aus hellem Holz, mit einem ovalen, menschengroßen Spiegel, der den Schreibtisch ihm gegenüber wiederspiegelte.

Weiter kamen wieder offene Regale, bevor die Runde bei Fenrirs Bett endete.

Obwohl der Raum nicht klein war, so erschien er einem so, da die Wände vollgestellt waren und keinen Platz mehr ließen.

So kam das Gefühl von Gemütlichkeit empor, jedoch ohne sich beengt zu fühlen.

Wer auch immer diesen Raum gestaltet hatte, hatte ein Auge darauf gehabt, dass sich die Patienten hier auch wohlfühlen sollten, wenn sie einmal hier her mussten.

Das nächste was Fenrir auffiel, war der Geruch.

Normalerweise sollte es an einem solchen Ort nach Desinfektionsmittel und Arzneien riechen, doch davon war in der Luft keine Spur. Dafür hing der leichte, beinahe schon unscheinbare Geruch von Kräutern in der Luft, die Fenrir irgendwie an Tee erinnerten.

Und es roch nach noch etwas stärkerem. Etwas kräftigerem, dunkleren. Kaffee. Der Geruch von gutem Kaffee hing in der Luft.

Obwohl Kaffee nicht gerade zu Fenrirs Lieblingsgetränken zählte, so liebte sie jedoch den Geruch von frisch gemahlenem oder frisch gebrühtem Kaffee.

Mit diesen Eindrücken, erinnerte sich die Rosahaarige an Laylas Worte und folgte mit ihren Augen dem zeig, den Layla gewiesen hatte, bevor sie gegangen war.

Sie schwang die nackten Beine aus dem Bett und legte ihre schmalen Füße auf die kühlen Dielen unter sich, wobei ihr erst hier auffiel, dass sie lediglich ein Höschen trug, das nicht mal ihr gehörte. Zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern, ein solches gehabt zu haben.

Sie blinzelte zwei mal kurz, bevor ihre Mimik sich veränderte und sie die Zähne zusammen biss. Tatsächlich war es so, dass sich Fenrir an überhaupt nichts erinnern konnte.

Lediglich ihr Name war ihr geblieben.

Das einzige, was sie diesen fremden Menschen hatte sagen können, da sie auf jede weitere Frage keine Antwort gewusst hätte.

Der Grund, warum sie die meiste Zeit über geschwiegen hatte.

Lediglich ihre aufgewühlten Gefühle bei dem Knall und dem Anblick dieses Mannes hatten sie übermannt. Offenbar konnte sich ihr Körper mehr an das erinnern, als sie selbst.

Hinzu kamen diese gelegentlichen, seltsamen Aussetzer.

Erst vorhin hatte sie einen solchen gehabt.

Als sich der große Mann mit den gelben Strähnen im Haar zu ihr gesetzt hatte. Sie konnte sich noch erinnern wie sie ihm ihren Namen genannt hatte, doch alles was danach kam, bis hin zu dem Moment wo er aufgestanden war, war leer. Als hätte jemand ein Loch in ihre Erinnerungen geschnitten.

Und wenn sie versuchte diese Erinnerungen zu greifen, dann war es, als wenn ihre Hand in einem tiefen, dichten Nebel versank und sie spürte pure, bodenlose Angst und Verzweiflung in der Dunkelheit hinter dem Nebel, weshalb sie jedes Mal aufs neue zurück schreckte.

In ihren Gedanken tigerte sie dann vor diesen Löchern in ihren Erinnerungen auf und ab. Als wenn es ihr so etwas bringen würde.

Leise seufzte sie und schloss kurz die Augen. Versuchte sich auf den Boden unter ihren Füßen zu konzentrieren und schaffte es mit Mühe, ihre Gedanken an diese beängstigenden Löcher in ihren Erinnerungen beiseite zu schieben.

Erst mal sollte sie schauen, wo sie hier genau war. Gefährlich kamen ihr diese Leute nicht vor, auch wenn sie, wie der Mann mit den Augen die wie Schokolade wirkten, gesagt hatte dass sie Piraten seien.

Noch hatte ihr niemand etwas getan und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann hoffte sie inständig, dass sie ihr auch weiterhin nichts tun würden.

Ob sie seinen Worten Glauben schenken konnte?

Diese Erinnerung war ihr geblieben.

Der Moment, in dem ihr Körper vor einem Schrecken davon laufen wollte, den sie nicht mehr erkannte. Und seine Stimme, die durch die Verzweiflung und die Panik gegriffen hatte, wie ein Rettungsanker, an den sie sich so verzweifelt geklammert hatte, als wenn ihr Verstand davon abgehangen hätte.

Seine Worte waren wie ein schwacher Schimmer in der Dunkelheit gewesen und sie war diesem Silberstreif in der Finsternis blind gefolgt. Hoffnung auf Rettung war in ihr gekeimt wie ein Samen und noch jetzt hielten seine Worte sie davon ab, sofort das Weite zu suchen. Er hatte ihr Schutz versprochen und obwohl sie eigentlich damit rechnen sollte, dass er etwas dafür verlangen könnte, so wollte ihr Herz dennoch daran glauben, dass es ein Versprechen ohne Gegenleistung sein würde.

Und obwohl Zweifel in ihr waren, so wollte sie diese jedoch nicht über sich herrschen lassen.

Zu viel schien ihr Geist und Körper ertragen zu haben. Noch mehr Verzweiflung wollte sie sich selbst nicht zugestehen.

Nicht erlauben.

Also versuchte sie offenen Herzens diesen Worten zu vertrauen und so stand sie auf, um in dem Schrank nach dem Bademantel zu suchen, den Layla gemeint hatte.

Dabei rutschte ihr die Decke vom Leib und somit auch die Wärme, die sie durch die Decke erhalten hatte.

Eine Gänsehaut zog sich über ihre Haut, was ein seltsames Gefühl verursachte.

Überrascht hob sie die Arme und besah sie sich. Ihre Haut war hell und weich und dennoch sah sie die Muskeln unter der zarten Haut. Muskeln von denen sie keine Ahnung hatte, woher sie stammten.

Es war frustrierend so wenig über sich selbst zu wissen, weshalb sie die Arme wieder sinken ließ und an den Schrank trat, wobei sie direkt in den Ovalen Spiegel blickte.

Was ihr da entgegen sah, schockierte sie fast.

Dort vor ihr stand eine junge Frau, vielleicht zwei Dutzend Jahre alt, doch überall auf ihrem Körper prangten violette, grüne und blaue Flecken. Hier und da erkannte sie sogar Schnittwunden, die durch ein scharfes Messer oder ähnlichem verursacht worden waren.

An ihrem Kinn gab es eine Wunde, die aussah, als hätte sie sich dort hart gestoßen und ihr Hals wies deutliche abdrücke einer großen Hand auf.

Mit geweiteten Augen stand sie reglos vor dem Spiegel und hatte das Gefühl nicht sich selbst zu sehen. Gleichzeitig war der Schock, dass genau sie sich selbst sah, so unfassbar...

Wie in Trance hob sie eine Hand an ihr Spiegelbild und berührte mit den Fingerspitzen die kalte Oberfläche.

Zugleich hob sie ihre linke Hand und berührte sich selbst am Hals, genau dort wo die Abdrücke am deutlichsten waren.

Fenrir hatte erwartet, dass die Berührung schmerzen würde, doch das tat sie nicht. Überhaupt. Sie empfand nicht den geringsten Schmerz.

Es war, als wenn all diese Blessuren nur aufgemalt währen. Keine einzige Wunde schmerzte.

Nicht mal das prickelnde kribbeln einer betäubten Wunde war zu spüren.

Sie hob den Blick und sah sich im Spiegel in die eigenen, matten und glanzlosen Augen.

Und plötzlich erschienen Tränen in den Augenwinkeln der Frau dort auf der anderen Seite.

Ihre Hand hob sich von ihrem Hals zu ihrem Mund, sodass sie ihn bedeckte und ihr Gesicht verzog sich, als die Tränen über ihre Wangen rollten.

Was hatte man ihr angetan?

 

~ * ~ * ~ * ~

 

Ben stand an die Wand, neben der Tür zum Arztzimmer gelehnt und hatte den Kopf leicht gesenkt, während von der anderen Seite leise Geräusche zu ihm durchdrangen.

Seine Mimik war monoton und abwesend, doch in seinen Augen brannte ein kalter, dunkler Zorn, der es einem weiteren anwesenden kalt den Rücken runter laufen lassen würde, wäre noch jemand anderes da.

Doch er stand alleine im plötzlich dunkel erscheinenden Gang und nur das Licht, das vom Arztzimmer durch das Bullauge in der Tür, auf den Flur viel, spendete ein wenig Licht.

 

~ * ~ * ~ * ~

 

Mit großen Augen, sah sich Fenrir in dem recht üppigen Bad der White Flame um.

Vor ihr ging Layla die dreistufige Estrade empor, auf der eine große, bequem wirkende weiße Badewanne stand, wie ein Thron mitten im Raum. Die Badewanne war Rund angehaucht und groß genug für bestimmt zwei Erwachsenen Personen. Sie wurde von Meerjungfrauen gehalten, die jede für sich ein wahres Kunstwerk war und ganz in Gold gehalten wurden. Es waren acht an der Zahl. Der Rand war mit dunkelblauen Keramikplättchen geschmückt, die ein wenig das Gefühl von Wellen erzeugte. Rundherum hatte sich jemand an der Badewannenwand ausgelassen mit verschiedenen Figuren, die offenbar eine Geschichte erzählten. Jede der Figuren war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und erzählte vom Meer und deren Bewohner. Wer auch immer Hand an dieser Badewanne gelegt hatte, hatte gewusst was er dort getan hatte. Es war ein Kunstwerk, wie es Fenrir nie zuvor gesehen hatte. Ein Bildnis, wie es selbst die schönsten Paläste und Kirchen vor Neid erblassen lassen hätte.

Layla, die ein Handtuch über einen kleinen Beistellständer legte, bemerkte Fenrirs faszinierten Blick und lächelte schmal, wobei ihre feinen, zierlichen Hände über den Badewannenrand strichen. "Ein Geschenk, das Ben Kimora gemacht hat. Einem unserer Crewmitglieder. Sie stammt vom Meeresvolk. Ich denke er wollte ihr ein Stück Heimat damit schenken, als er diese Badewanne kaufte." Ihre Ohren legten sich an ihren Kopf und in den rötlichen Augen der Wolfsdame erschien ein Wehmütiger Blick. Ganz so, als wenn dieses Geschenk nicht einer anderen gemacht worden wäre, sondern ihr.

Fenrir schluckte und sah sich weiter im Raum um. Der Raum war, wie die Wanne, rund förmig erbaut und so schmiegten sich verschieden Schränke, zwei Waschbecken, eine Toilette und eine sehr geräumig wirkende Dusche, an die Wände rings herum. Jedoch erkannte Fenrir keinen Duschkopf, was sie stutzen ließ. Bis ihr die winzigen Löcher in der Decke auffielen und schnell wurde ihr klar, dass das Wasser von oben auf einen hinab prasseln würde, wenn man den Hahn aufdrehen würde. Als wenn man im Regen stehen würde.

Alles im Bad war in hellen Tönen gehalten, was den Raum größer erscheinen ließ, als er tatsächlich war. Licht gab es von mehreren Kerzenhaltern und einigen Laternen, wie einen kleinen Kronleuchter über der Badewanne. Hier wurde sehr viel Wert auf Luxus gelegt, was Fenrir nur noch mehr ins Staunen versetzte.

"Hier wascht, duscht und Badet ihr jeden Tag?" Hauchte sie ehrfürchtig und Layla grinste.

"Ja, das ist unser Hauptbad. Im Quartierbeiboot gibt es jedoch wesentlich weniger luxuriöse Bäder. Das hier ist das Herz des Schiffes. Ben wollte dass wir alle es sehr bequem haben und Kouga entwarf ihm die White Flame auf Fafnier."

Erstaunt blinzelte Fenrir zwei mal.

"Die Valkyria Insel?"

Nun lag es an Layla sie erstaunt, aber auch interessiert an zu sehen.

"Du kennst sie? Sie ist eine sehr versteckte Insel und nicht viele wissen von ihrer Existenz."

Fenrir nickte.

"Ihr Volk war einst beinahe vom Aussterben bedroht, bis ihre Königin beschloss die verbliebenen zu sammeln und sie mit sich zu nehmen. Es heißt, sie habe sie an einen fernen Ort gebracht, wo kein Mensch sie je erreichen könnte. Doch die Wahrheit ist, dass sie sich über Jahrhunderte auf Fafnier niedergelassen haben und die Außenwelt meiden." Fenrir hob ihre Hand an ihr Herz. "Von dort kommt mein Name. Er gehört ihrem Gott."

Layla nickte langsam, ihre Aufmerksamkeit wohlbedacht auf Fenrir, die ihren violetten Blick abwesend über das Bad schweifen ließ.

Doch dann zogen sich Fenrirs Brauen zusammen. "Ich dachte sie lassen niemanden am Leben, der ihre Insel betritt und wieder verlassen will?"

Verblüffung zierte Laylas Gesicht, doch dann musste sie beinahe schmunzeln.

"Nein, ihre erste Prinzessin hat einen Weg gefunden wie man jemanden die Erinnerungen an die Insel und daran wo sie liegt, nehmen kann, ohne jemanden ernsthaften Schaden zu zufügen."

Fenrir überlegte kurz, bevor sie dann einmal knapp nickte und zu Layla auf die Estrade empor stieg. "Ich verstehe." Sagte sie und für sie war das Thema damit beendet.

Die Wanne war mehr als dreiviertel gefüllt und auf der Wasseroberfläche schwammen aber hunderter kleiner Seifenblasen wie ein Haufen Schnee.

Sie schillerten in allen bunten Farben, doch alle zusammen ergaben die Farbe Weiß.

Ein seltsames aber faszinierendes Phänomen.

Layla wandte sich Fenrir nun ganz zu und schenkte ihr ein warmes lächeln, was die Rosahaarige etwas zurückhaltender erwiderte.

"Das Wasser ist mit Kräutern angetan, die deinem Körper helfen werden schneller zu genesen. Aber Vorsicht es ist wirklich sehr heiß." Fenrir nickte und wartete ob Layla noch etwas zu sagen hatte. Sie wurde nicht enttäuscht: "Ein Handtuch ist hier für dich." Die Wolfsdame deutete auf den Ständer, auf dem sie zuvor das Handtuch gelegt hatte. "Dort hinten auf der Kommode habe ich dir ein Paar Kleider hingelegt. Den alten Fetzen den du anhattest als wir dich aus dem Wasser gefischt haben, haben wir entsorgt." Sie zog entschuldigend die Brauen zusammen, doch Fenrir schüttelte lediglich den Kopf und lächelte schwach. "Schon in Ordnung." Meinte sie leise und wartete erneut, bis Layla weiter sprach. Wie sich Fenrir dachte, war die Weißhaarige noch nicht fertig.

"Wenn etwas sein sollte, du findest den Weg zum Arztzimmer?" Erneut nickte Fenrir. Tatsächlich war der Weg recht einfach gewesen, sodass sie ihn sich hatte leicht merken können.

"Gut. Wenn du fertig bist, komm zu mir in mein Arztzimmer. Wir gehen dann gemeinsam zum Speisesaal, wo du die anderen Crewmitglieder dann kennen lernen wirst. Wir essen abends immer alle zusammen, musst du wissen. Sie brennen alle schon darauf dich kennen zu lernen." Schmunzelte Layla und bedachte Fenrir mit einem warmen Blick.

Etwas in der Rosahaarigen regte sich bei diesem Blick, doch was es genau war, konnte Fenrir nicht bestimmen.

Schließlich seufzte die Wolfsdame kurz auf, sah sich um und schien noch einmal alles zu prüfen, ob sie auch nichts vergessen hatte.

"Alles was du brauchst, findest du hier im Bad. Bedien dich und fühl dich wie zu Hause."

Erneut nickte Fenrir stumm und Layla tat es ihr gleich.

"Gut, ich würde sagen genieße dein Bad, kleines." Layla legte ihre blasse Hand kurz auf Fenrirs Schulter und sah zu der Rosafarbigen Frau empor, um ihr ein Lächeln zu schenken, das Fenrir etwas verschüchtert erwiderte. Dann ließ die Ärztin Fenrir allein im Raum zurück.

Ohne groß weiter herum zu stehen, trat sie an die Wanne heran und hob eines ihrer langen, schlanken Beine über den Rand. Ihr Zeh berührte die Wasseroberfläche und allein nur diese winzige Berührung des nahe zu heißen Nass, ließ ihrer Kehle ein Glückseliges Stöhnen entrinnen. Ohne mit der Wimper zu zucken ließ sie ihr Bein in das heiße Wasser gleiten und bereits beim Eintauchen fühlte sie, wie das Wasser sie geradezu zu empfangen schien. Es war, als würde man ihr einen Teil ihrer selbst zurück geben. Als wenn sie in die Arme einer geliebten Person zurückkehren würde. Mit purem Genuss ließ sie sich in das Wasser gleiten und schloss vor Wonne die Augen. 

Wann hatte sie zuletzt Wasser bewusst auf ihrer Haut gespürt?

Es erschien ihr wie eine Ewigkeit her zu sein.

Und es war ein einmaliges, herrliches Gefühl.

Die erste Zeit verbrachte Fenrir lediglich damit in der Wanne zu liegen und das Gefühl des Wassers auf ihrer Haut zu genießen.

Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie Wasser derart liebte.

Das war der Moment, in dem sie die Augen aufschlug und an die Decke des Badezimmers starrte. Ihren Kopf hatte sie auf den Badewannenrand gelegt und ließ ihren Körper im Wasser geradezu schweben.

Neben der Liebe, die sie zum Wasser verspürte, verspürte sie auch eine gewisse Erleichterung eine neue Erkenntnis über sich selbst gewonnen zu haben.

Nun wusste sie nicht nur ihren Namen, sondern auch um die Liebe zum nassen Element.

Das Wasser gab ihr ein Gefühl von sicherer Geborgenheit, als wenn es eine Art zu Hause für sie wäre, in das sie gerade zurück gekehrt war.

Seltsam, dass sie so darüber dachte, aber es entsprach ihren Gefühlen.

Zum ersten Mal, seit sie auf diesem Schiff war, hatte sie das Gefühl etwas Wertvolles zurück bekommen zu haben. Und das Gefühl von uneingeschränkter Sicherheit.

"Wasser scheint dein Element zu sein." Beinahe wäre Fenrir zusammengezuckt, bevor sie mit wachem Blick im Raum umher schweifte, ehe sie die Quelle der Worte gefunden hatte. Und als sie diese fand, hob sie eine Braue.

Dort, direkt vor ihr auf dem Badewannenrand saß eine winzige Gestalt, nicht viel größer als ihre Hand. Er hatte eines seiner Beine angewinkelt, während das andere über den Rand baumelte, wobei er seinen linken Arm lässig über sein Knie gelegt hatte und seinen rechten zum Abstützen benutzte.

Auf den winzigen Lippen des Mannes, lag ein schelmisches Grinsen.

"Ein Körper wie eine Göttin", erklärte er ernsthaft und ließ seinen Blick über die Stellen ihres Körpers schweifen, die die Seifenblasen nicht verdeckten.

Dann entstand eine Stille zwischen ihnen, in der Fenrir ihn einfach nur ansah und er breit zurück grinste. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bevor sein Grinsen sich etwas verkrampfte und er sie fragend ansah. Sie ihrerseits starrte erwartungsvoll zurück.

"Willst du nicht...?", begann er, doch Fenrir legte lediglich fragend den Kopf schief.

Benjamin machte eine Geste, die seine Verwirrtheit unterstützen sollte, doch Fenrir kam nicht darauf, worauf er hinaus wollte.

"Schreien, oder Dinge nach mir werfen?", beendete er schließlich seinen begonnenen Satz.

Nun weiteten sich Fenrirs Augen und Benjamin war bereits drauf und dran, sich gegen alles zu wappnen, doch ihre neuerlichen Worte brachten ihn beinahe dazu in die Wanne zu fallen.

"Wie kommst du darauf?!", fragte sie entsetzt und er erkannt nicht das winzige bisschen von Sarkasmus in ihrer Stimme oder ihren Augen.

"Weil... du nackt bist?", fragte er zweifelnd und selbst etwas irritiert zurück, ob der bizarren Situation.

Fenrir sah verunsichert an sich hinab, bevor sie die Brauen zusammen zog und dann wieder zu Ben sah. Ihr Blick sprach davon, dass sie keinen Schimmer hatte, wovon er da sprach.

"Und?", fragte sie offenbar ratlos.

Ben hob die Hände und öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder als ihm tatsächlich nichts Gescheites darauf einfallen wollte.

"Ich...", begann er erneut, unterbrach sich jedoch selbst wieder und schüttelte den Kopf, als müsste er einen absurden Gedanken abschütteln.

"Fenrir, ich bin ein Mann", erklärte er mit Nachdruck in der Stimme.

Wieder sah sie ihn stumm an.

Und nach einer Weile hob sie eine Braue.

Sie starrten einander an, bevor Bens rechte Braue begann zu zucken.

"Ist das klar, was das heißt?", fragte er nach, als wäre er leicht gereizt, was Fenrir durch aus verwirrte.

Mehr noch aber verstand sie nicht, was Ben ihr eigentlich sagen wollte.

"Ich weiß nicht", antwortete sie daher etwas klein Laut, was Ben schließlich dazu brachte zu seufzen.

"Fenrir, du bist eine junge, wunderschöne Frau auf einem Piraten Schiff. Was glaubst du, was man dir antun könnte, wenn du jetzt hier Nackt vor mir in einer Badewanne liegst?"

Fenrir beugte sich etwas vor und zog die Knie an, sodass sie ihren vollen Busen gegen ihre Beine drückte, während sie ein Gesicht machte, als würde sie ernsthaft überlegen.

Irgendwann schien es ihr einzufallen, doch dann lächelte sie nur. Und es war ein Lächeln, dass Bens Herz für einen Moment höher schlagen ließ.

"Aber, ihr habt mir bisher nichts getan. Im Gegenteil, ihr habt mich versorgt, bietet mir ein Bad an und du hast mir versprochen, mich zu beschützen."

Bens Augen weiteten sich.

Völlig überrumpelt starrte er diese Frau an, die dort vor ihm, nackt in der Badewanne saß und ein Lächeln lächelte, das so naiver, aber wunderschöner nicht sein konnte.

Und allein das wissen, dass er der Grund für dieses Lächeln war... ließ eine absurde Welle der Freude durch seinen Körper laufen.

Dann und in einem plötzlichen Affekt, hob er den Handrücken an den Mund und wich Fenrirs Blick aus, während seine Wangen sich in ein ganz sanftes rot färbten.

"Das gibt’s doch nicht", nuschelte er und blinzelte ein paar mal kurz nacheinander.

 

~ * ~ * ~ * ~ 

 

"Sag, Shila...", begann Kouga langsam und sah zum Himmel empor, wo sich das Himmelszelt bereits dunkelviolett verfärbt hatte und die ersten Sterne am Firmament glitzerten.

"Mh?", gab die Rothaarige von sich, die dabei war ihre beiden Waffen zu reinigen und zu prüfen, wobei sie immer wieder einen der beiden schneeweißen Fächer anhob und die ausfahrbaren Klingen überprüfte, in dem sie auf den Druckknopf drückte.

Irgendwann bei der letzten Auseinandersetzung hatte der Fächer etwas gelitten, sodass die Klingen an diesem Exemplar irgendwie zu hängen schienen. Sie zuckten zwar wie gewünscht aus ihrem Versteck hervor, doch im Vergleich zum ersten langsamer.

Kouga jedoch sah zwischen den beiden Fächern keinen Unterschied, doch Shila beharrte darauf, dass er zu lange brauchen würde, bis die Klinge erschien.

Für sie eine Sache die zwischen Leben und Tod entscheiden konnte.

Sie saßen unter dem Pavillon, mank der Kissen, die sie sich an die angrenzende Reling gelegt hatten, wobei Kouga beständig zum Himmel empor blickte und dabei zusah, wie die Nacht den Tag ablöste.

"Wo ist eigentlich Ben?" Sie zog lediglich eine Braue hoch, was auch schon ihre einzige Reaktion war, während sie sich weiterhin mit ihrem Fächer beschäftigte.

"Keine Ahnung", murmelte sie abwesend.

Kurz darauf sah die Rothaarige auf und musterte Kouga eingehend.

"Wieso fragst du?" Doch der Hüne von einem Mann antwortete nicht. Sein schwefelgelber Blick lag auf den Sternen am Himmel, welche sich in der ungewöhnlichen Farbe seines Auges spiegelten.

Zuerst glaubte Shila, keine Antwort mehr von Kouga zu bekommen, als dieser schließlich doch noch mit den Schultern zuckte.

"Neugierde."

Doch Shila zog nur zweifelnd eine Braue hoch.

"Tatsächlich?" Nun wandte Kouga ihr den Kopf zu, in dem er ihn auf die Seite fallen ließ und ihr mit seinem verbliebenen Auge entgegen blickte.

Einen Moment lang herrschte Stille zwischen ihnen, bevor es unweit am Treppenabsatz leise knarrte.

Shila drehte sich etwas und sah Finn zu, wie er auf sie zu kam, dabei lag sein scheinbar desinteressierte Blick auf dem was, sie in ihren Händen hielt.

"Hat einer von euch zufällig Ben gesehen?" Und fing sich damit ein blinzeln von Shila ein, bevor sie die Brauen zusammen zog, als wäre sie beleidigt.

"Was wollt ihr eigentlich alle von dem?", fragte sie scheinbar gereizt.

Finn sah von Shila zu Kouga und wieder zurück, dabei steckte er seine Hände in die Hosentaschen und neigte den Kopf leicht auf die Seite.

"Layla will ihn sprechen", erklärte er ungerührt und nun plusterte Shila die Backen auf, wie ein Hamster.

Der Schwarzhaarige, mit den momentan gelben Strähnen im Haar, zog die Stirn kraus und hatte wahrlich alle Mühe, nicht gleich in Gelächter aus zu brechen, weshalb er den Oberkiefer etwas vorschob und sich auf die Unterlippe biss. Doch so richtig gelingen wollte es ihm nicht, weshalb seine Mundwinkel zuckten. Es sah so dämlich aus, dass Kouga schließlich in schallendes Gelächter ausbrach und Finn nur wenig später nicht mehr an sich halten konnte.

Empört, verschränkte Shila die armer unter ihren Brüsten und sah von einem zum anderen, versucht nicht mit ein zu fallen. Doch auch sie sah sich der allgemeinen Erheiterung der beiden Männer bald unterlegen und fiel kichernd in ihr Gelächter mit ein.

Es musste Meilen weit über das Meer zu hören sein, so ruhig wie dieses war, doch keinen der drei schien dies zu kümmern.

Es dauerte bis sie sich wieder einkriegten und schließlich schüttelte Kouga den Kopf.

"Nein, ich hab ihn nicht gesehen." Er neigte den Kopf etwas auf die Seite und schien kurz zu überlegen. "Ich glaube ich hab ihn zuletzt mit Vaith und Shila gesehen, das war am späten Nachmittag." Damit richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Rothaarige, die zwischen ihnen saß und sich die Lachtränchen aus den Augenwinkeln wischte.

"Nachdem Vaith gegangen war um mit Grace zu üben, ist auch Ben unter Deck verschwunden." Sie deutete auf ihre Fächer und die Reinigungswerkzeuge, die sie extra für ihre Waffen besaß und nutzt. "Seit dem versuche ich meinen Fächer wieder hin zu kriegen."

Finn zog die Hände wieder aus den Hosentaschen und verschränkte sie nun selbst vor der Brust, wobei er ein nachdenkliches Gesicht machte.

"Unter Deck? Da kam ich gerade her und ich hab ihn nicht gesehen."

Kouga schnaubte. "Das Schiff ist ja auch nicht gerade klein", erklärte er und konnte einen gewissen Stolz in der Stimme nicht ganz unterdrücken.

Immerhin war er derjenige gewesen, der das Schiff extra für Ben entworfen und erbaut hatte.

Shila nickte und Finn kratzte sich am Hinterkopf. "Auch wahr“, stimmte er zu und sah sich dann um.

"Hat einer von euch wenigstens was von Khan gehört?"

Shila sah zu Kouga, doch der schüttelte den Kopf und sie tat es ihm gleich.

"Ich denke aber nicht, dass ihm was passiert ist" versuchte sie beruhigend zu klingen, doch auch in ihrer Stimme schwang zweifel mit.

Die beiden Explosionen, waren an diesem Tag heftiger gewesen, wie für gewöhnlich.

Inständig hoffte sie, dass sich dieser verrückte Alchemist nicht selbst in die Luft gesprengt hatte. Sollte dies der Fall sein, so kam niemand in das Labor des Mannes, da nur Shirkhan den Schlüssel zu seinem Labor besaß und sich von innen eingeschlossen hatte. Vorsichtsmaßnahmen, wie er immer sagte.

Tatsächlich lag dem Alchemisten nicht viel daran, die White Flame zu versenkten, in dem er einen Teil von ihr in die Luftjagte.

Immerhin war dies ja auch sein zu Hause. Ebenso wie das der anderen.

Deshalb hatte er sich mit Kouga auch schon so oft zusammen getan und deshalb gingen sie auch jede Woche die Wände seines Labors durch. Nicht dass es irgendwo ein Lack gab, dass schließlich dazu führte, dass er es doch noch schaffte das Schiff samt Crew auf den Grund des Meeres zu bringen. Was das anging war er beinahe schon Paranoid, als einfach nur Gründlich.

Das hieß aber auch dass, sollte sich Shirkhan selbst bei seinen Versuchen umbringen, auch niemand hinein gelangen könnte um seine Leiche heraus zu holen.

Wenn es denn noch eine von ihm geben sollte...

Es schauderte Shila auch nur daran zu denken.

Sie liebte die Crew wie ihre eigene Familie und zu wissen, dass sich eines ihrer Familienmitglieder jeden Tag einsperrte und sich dabei jeder Zeit selbst umbringen konnte, war ein kaum zu ertragender Gedanke.

Zweifelnd brummte Finn und schaute in die ungefähre Richtung wo das Labor des Schiffsalchemisten liegen könnte.

"Ich hoffe nicht, dass er es getan hat, er kriegt nämlich noch eine von mir", knurrte er und Kouga zog fragend eine Braue hoch.

"Was ist den passiert?" Nahm Shila dem Schiffszimmermann die Gedanken ab und formte sie für ihn in Worte.

"Nah", grummelte er kurz. "Jeffrey ist wegen seiner bescheuerten Explosion von der Reling auf der Plicht gestürzt."

"Was? Geht’s ihm gut?", fragte Shila entsetzt und wollte aufstehen, als Kouga sie an der Schulter fasste und sie zwang sitzen zu bleiben. Mit einer Bewegung seines Kinns, gab er ihr zu verstehen, dass sie abwarten sollte, was Finn noch dazu zu sagen hat.

"Ja, er hat nichts abgekriegt, nur nen Schock. Trotzdem." Er ballte die Fäuste und fast hätte er auch mit dem Kiefer gemahlt.

Eine Reaktion, die sowohl Kouga, als auch Shila eine Braue heben ließ.

"Ist... alles in Ordnung mit dir?", fragte Shila vorsichtig und stand nun doch auf. Zumindest, nachdem sie ihren Fächer sorgfältig beiseite gelegt hatte.

Er wandte ihr den Kopf zu und sah ihr mit seinen gelben, fast goldfarbenen Augen in die beinahe selbigen von ihr.

Tatsächlich hatten sie beide fast identische Augen, nur dass ihre etwas femininer und größer waren, als die seine.

Sie stand nur wenige Handbreit vor ihm und ihr Blick kreuzte seinen zu gleichen Teilen fest, wie auch besorgt. Schließlich aber seufzte er und ließ minimal die Schultern fallen, bevor er nickte.

"Ja, bei mir ist alles gut." Und schenkte der Rothaarigen Kämpferin ein warmes, fast Brüderliches lächeln, bevor er die Hand hob und ihr kurz über den Kopf strich.

Eine Geste, die Kouga überraschte, da Finn normalerweise nicht so sehr der Typ für solche Gesten war.

Was den Schiffszimmermann schließlich die Frage aufzwängte, in welchem Verhältnis die beiden eigentlich zueinander standen?

Die Crew war miteinander sehr herzlich und familiär, aber das hieß nicht, dass sie sich alle immer prächtig miteinander verstanden. Immerhin waren sie ein bunt zusammen gewürfelter Haufen und bis auf zwei, war hier niemand mit dem anderen Blutsverwandt.

Was auch bedeutete, dass man hier frei und quasi nach Lust und Laune, Gefühle für jemand anderes auf dem Schiff haben konnte.

Insgeheim fragte sich Kouga, wer hier wohl für wen echte Gefühle empfinden mochte?

 

 

 

 

 

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