13.Kapitel: Zeichen des Sturms

Immer wieder drehte Vaith den Stift in seiner Hand, während er hinauf in den klaren Sternenhimmel blickte. Der Mond war bereits ein gutes Stück weiter gewandert und die Dämmerung war nicht mehr fern.

Nachdem Fenrir sich etwas beruhigt hatte, hatte Benjamin Kiona und Grace gebeten, die etwas erschöpfte Fremde in ihre Kajüte zu bringen.

Layla war so gut gewesen und hatte eine der beiden leerstehenden Kajüten für Fenrir vor bereitet. Eigentlich hatte Grace Fenrir nur abholen wollen. Daher war sie zurück gekommen und hatte Fenrir dann so vor den dreien vor gefunden.

Obwohl sich Vaith etwas schlecht fühlte, als wäre er an ihrem Zustand schuld, konnte er dennoch nicht verhindern, dass sich seine Gedanken weiterhin um die rätselhaften Worte der Frau drehten.

Als Archologe kannte Vaith viele Mythen und Legenden, doch des Teufelskraft sagte ihm nicht das geringste.

Was hatte sie damit sagen wollen?

Des Teufelskraft...

Es gab Geschichten über ein mächtiges Wesen, dass den Göttern gegenüberstand. Selbst einem Gott ähnlich, gebot der Teufel über die Unterwelt. Die Hölle. Der Ort, an dem angeblich jede verdorbene Seele wanderte.

Wenn man an derlei Geschichten glauben wollte.

Der Teufel war das Böse. Das Gegenstück zum Guten. Die andere Seite der Macht der Götter.

Und was hatten die vorangegangenen Worte damit zu tun?

Im Gleichgewicht. Zwischen Himmel und Erde. Licht und Dunkel. Zu allem Existiert ein Gegenstück.

Und dann die Sache mit dem Teufel.

Was hatte der Teufel mit dem Gleichgewicht zu tun?

Frustiert atmete Vaith aus und schloss für einen Moment die Augen.

"Des Teufelskraft besitzt einen Ursprung... Zu allem existiert ein Gegenstück. Licht und Dunkel. Himmel und Erde. Im Gleichgewicht..." Murmelte er lose die Worte durcheinander.

"Des Teufelskraft..."

"Meinst du die Teufelsfrüchte?" Vaith öffnete die Augen und sah zu Shila, die an der Reling lehnte und ihre Arme unter ihrem Busen verschränkt hatte.

"Wie kommst du darauf?" Fragte der Blonde etwas irrtiert und richtete sich auf.

Shila zuckte nur mit den Schultern. "Spricht man nicht immer von Teufelskräften?" Sie machte eine lose bewegung mit der Hand und neben ihr erschien eine bläuliche, Handteller große Flamme. Mit einer weiteren Bewegung durch die Flamme, verschwand diese ohne eine Spur zu hinterlassen.

Vaith blinzelte zwei mal, bevor sich seine Augen weiten.

"Teufelskräfte! Natürlich!" Rief er und schlug sich gegen die Stirn, was die Rothaarige Kämpferin des Schiffes nur eine ihrer elegant geschnittenen Brauen heben ließ.

Doch dann stutzte Vaith und eine steile Falte entstand zwischen seinen Brauen.

"Der Ursprung der Teufelskräfte?" Er neigte für einen Moment den Kopf auf die Seite, bevor er die Hand hob und mit seinem Daumen seinen Unterkieferknochen entlang strich.

"Was ist damit?" Obwohl es nicht Shila war, die Fragte, sondern Finn, der so eben die Treppe zu dem Deck empor kam, über den das Segele gespannt war und unter dem die vielen Kissen lagen, zwischen denen Vaith saß, sah der Blonde nicht zu ihm auf.

Das so früh die beiden noch wach waren, berührte Vaith in diesem Moment nicht, der sich vollkommen seinen Gedanken hingab und dessen Gedanken sich beinahe überschlugen.

"Das Problem ist." Begann Vaith langsam. "Dass niemand den Ursprung der Teufelsfrüchte kennt. Niemand weiß, woher sie kommen oder an was für Bäumen sie wachsen. Es gibt zwar die Bücher, die die Früchte beschreiben, aber in keiner ausführung steht etwas über ihre Herkunft. Lediglich etwas über ihre Kräfte." Er biss sich auf die Unterlippe. "Es gibt nur Legenden, Geschichten und haltlose Gerüchte. Aber keine Fakten."

Shila und Finn wechselten einen Blick, bevor Shila sich wieder an Vaith wandte.

"Was gibt es denn so für Geschichten über den Ursprung und ihre Herkunft?" 

Vaith seufzte. "Zu viele."

"Sagtest du nicht etwas von Gleichgewicht? Von Dunkel und Licht? Himmel und Erde? Was ist den damit? Oder hängt das gar nicht zusammen?"

Vaith zog die Brauen zusammen und sah zu Shila auf.

"Jede Teufelskraft besitzt ein Gegenstück. Eine andere als schwäche. Egal wie Stark die Kraft einer Frucht ist, es gibt immer eine andere die ihr Gegenstück bildet. Zudem gibt es das Gesetz, das ein Teufelsfruchtnutzer im Wasser untergeht wie ein Stein. Und schwäche bei Seestein zeigt." Finn schüttelte den Kopf.

"Ich hörte das Fenrir das gesagt haben soll, aber in welchem Zusammenhang soll das stehen? Wir haben schon festgestellt, dass sie keine Teufelsfrucht Nutzerin sein kann. Sie schwamm auf dem Wasser." Gab er zu bedenken und Vaith nickte.

"Sie sagte aber, dass Mystes Weg der falsche Pfad sei. Dass wir einem anderen folgen müssten. Sie sagte dann: Im Gleichgewicht. Zwischen Himmel und Erde. Zwischen Dunkel und Licht. Zu allem existiert ein Gegenstück. Und dann: Des Teufelskraft besitzt einen Ursprung, finde ihn."

Nun lag es an Finn, nachdenklich drein zu blicken und auch Shila dachte über die Worte nach.

"Sie nannte die Elemente, warum ließ sie Feuer aus?" Fragte dann Shila und sowohl Vaith als auch Finn sahen sie überrascht an.

"Wie kommst du auf die Elemente?" Wollte Finn wissen.

"Na: Himmel und Erde das sind doch Luft und Erde und dann Licht und Dunkel sind eben Licht und Dunkelheit. Das sind vier der sechs Grundelemente aus denen unsere Welt besteht oder? Warum also ließ sie Feuer aus?"

"Weil es zu Feuer kein Gegenstück gibt?" Fragte Finn und zog eine Braue hoch, doch Vaith schüttelte den Kopf.

"Feuer verliert im Angesicht der Dunkelheit. Das beste Beispiel war Puma D. Ace gegen Black Beard."

"Schon, aber laut dem Elementarischem Gesetz, ist das Gegenstück zu Dunkelheit, Licht und das Gegenstück zu Feuer, Wasser." Warf Shila ein.

Doch Vaith verzog das Gesicht.

"Dann hat es aber nichts mit den Teufelsfrüchten zu tun. Es gibt keine Wasserfrucht, sie wiederspricht den uns bekannten Regeln, welche jeder Teufelskraft folgt."

Shila jedoch gab sich nicht geschlagen und neigte den Kopf leicht auf die Seite.

"Warum spricht sie dann davon, dass es zu allem ein Gegenstück gibt?" Verständnislos sah Vaith sie an. Finn hingegen schwieg.

"Überleg doch mal: Im Gleichgewicht. Zwischen Himmel und Erde. Zwischen Licht und Dunkelheit. Zu allem existiert ein Gegenstück. Und danach spricht sie davon dass du den Ursprung des Teufelskraft finden sollst. Des Teufelskraft, sind die Teufelsfrüchte alles andere macht keinen Sinn. Und dann spricht sie von den Elementarischen Grundelementen, lässt Feuer aber aus und sagt dir aber, dass es zu allem ein Gegenstück gibt. Warum?" Sie machte eine kurze hilflose Geste mit den Händen.

"Ich meine... warum denn nicht?"

Doch Vaith schüttelte den Kopf. "Weil es keinen Sinn macht. Eine Wasserfrucht... sie wiederspricht sich!" Gab er wehement von sich.

"Aber du warst es auch, der mir von ihr erzählte und dass es eine Legende zu ihr gibt." Schaltete sich nun Finn ein.

"Aber nur, weil ihre existenz, weder belegt noch wederlegt wurde."

"Warum ist ihre Existenz dann so abwegig? Warum sollte Fenrir nicht genau diese Frucht meinen?"

Vaith schüttelte erneut den Kopf und hob dann die Handflächen gegen den Himmel.

"Also schön. Angenommen es könnte sie tatsächlich geben: Was hat es dann mit dem Ursprung der Teufelskräfte oder auch nur mit Fenrir selbst zu tun?"

"Vielleicht kann ich euch dabei helfen." Die Köpfe der drei ruckten herum, als plötzlich Kimora mit Jeffrey die Treppe hoch kam, die zuvor Finn genommen hatte.

Anders als Shila und Finn, ließ sie sich mank der Kissen fallen und klopfte neben sich, als sie zu Jeffrey zurück blickte, der sich dann wiederum neben ihr nieder ließ.

"Ich fand sie schon seltsam als ich sie das erste mal sah, aber mir ist etwas aufgefallen, als sie mit Celeste zum Abendbrot kam." Erklärte sie wie selbstverständlich und völlig unaufgefordert in ihrer typisch, fast schon eitlen art.

"Ihr wisst, dass ich eine Meeresbewohnerin bin und einen Fischschwanz habe?" Sie wartete nicht wirklich auf eine Antwort und sprach direkt weiter. "Wenn wir Fischmenschen an Land kommen, nachdem wir viel Zeit im Wasser verbracht haben, haben wir oft schwirigkeiten unsere Füße zu koordinieren. Uns fällt das laufen dann sehr schwer." Sie warf einen eigentümlichen Blick zu Jeffrey, der jedoch nichts sagte. "Auch mir viel das laufen nach zwei Tagen im Meer schwer. Wenn wir dann laufen, wirken wir schwach auf den Beinen, oft auch plump und ungeschickt. Gerade auf einem Schiff mit Wellengang, kann es passieren, dass wir schnell unser Gleichgewicht verlieren." Sie machte eine künstlerische Pause und sah die drei anderen nacheinander bedeutsam an, bevor sie weiter sprach.

"Als Celeste, die kleine wie ein Anziehpüppchen vorstellte und ihr alle das Kleid an ihr begafft habt, viel mir etwas auf, als Celeste sie an den Tisch zu uns zog. Sie stolperte und es viel ihr schwer, dem plötzlichen Zug zu folgen. Es war schwer für sie Unfallfrei an den Tisch zu kommen, ganz so, als wenn sie es gar nicht gewohnt ist, festen Boden unter ihren Füßen zu haben. Ähnlich wie ein Fischmensch." Erneut legte sie eine Pause ein, doch dieses mal um die Gesichter der anderen zu studieren. Nur um mit Genugtuung fest zu stellen, dass langsam die Groschen zu fallen schienen.

"Ich dachte mir, dass ich das beobachten würde, doch bis auf diesen einen kleinen Patzer viel mir nichts an ihr auf, dass sie als Fischmensch auswies, so wie ich es mir dachte. Wenn ihr mich fragt, sie wirkt nicht auf mich, wie ein Fischmensch, aber sehr wohl mit dem Meer oder zumindest mit dem Wasser verbunden."

Vaith zog die Brauen zusammen.

"Wie kommst du auf die Verbundenheit mit dem Wasser?"

Nun Lächelte sie wie eine Katze die den Fisch gefangen hatte.

Sie griff Jeffrey an den Arm.

"Erinnert ihr euch an das was Jeffrey uns erzählt hatte? Das er das Gefühl hatte, das Gischt über ihm hereinbrach? Und an das was Finn sagte? Das er das Gefühl gehabt hätte, ein Tropfen würde fallen? Denkt darüber nach." Erklärte sie bedeutsam.

Niemand sagte etwas.

Obwohl Vaith das alles sehr seltsam erschien, musste er zugeben dass es da gewisse Zusammenhänge geben könnte. 

Dennoch besaßen sie nichts weiter als Vermutungen.

Und trotzdem...

Er schloss erneut die Augen und sammelte die Informationen zusammen, die sie sich gerade zusammengereimt hatten.

War es möglich? Gab es die Wasserfrucht? Und hatte Fenrir von dieser gegessen?

"Angenommen, es gibt die Wasserfrucht und Fenrir hat von ihr gegesse..." Vaith öffnete die Augen und sah einen nach dem anderen langsam an.

"Warum trieb sie dann auf dem Meer?" Shila seufzte, nickte aber und auch die anderen schienen darauf keine Antwort zu wissen.

Bis Jeffrey sich am Hinterkopf kratzte und sich leise räusperte, womit er die Aufmerksamkeit der vier auf sich ruhen hatte.

"Ich denke, dass sie ihrer Kraft beraubt worden ist. Zumindest eine ganze Zeit lang." Die anderen wechselten Blicke.

"Wie kommst du darauf? Und wie soll sie ihrer Kraft beraubt worden sein?" Es war Finn der dieses mal fragte und Vaith die Gedanken somit abnahm.

"Als du mich zu Layla gebracht hast, hatte ich im Krankenzimmer kurz die möglichkeit in den Akten zu lesen. Sie lagen auf dem Tisch. Sie bat mich, das Wissen für mich zu behalten, aber ich denke, es ist angebracht dass ihr es auch erfahrt. Fenrirs Zustand, kommt nicht von einem Sturm als Schiffbrüchige. Jemand hat sie über einen längeren Zeitraum gefangen gehalten. Ihr ganzer Körper..." Er schüttelte den Kopf. "Sie wurde misshandelt. Layla sagte nichts konkretes, aber ich weiß das Ben sie deshalb schützen will. Jemand hat dieser Frau schlimmes angetan. Und wenn sie wirklich die Kraft besitzt, Wasser zu beherrschen..." Er hob den Blick und sah sie alle eindringlich an.

Jeder von ihnen konnte sich vorstellen, was jemand mit einer solchen Macht tun konnte. Ihre Welt bestand zu einem sehr großen Teil aus Wasser. Wenn es diese Kraft also tatsächlich gab und wenn sie jemand missbrauchen wollte...

Jemand mit der geballten Kraft des Wassers könnte die Momentane, angespannte Situation auf den Meeren komplett wenden... zu seinen Gunsten.

Es klang Unglaublich.

Selbst dafür, dass es niemand aussprach, aber das war kaum zu glauben.

Und dennoch...

"Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl." Sagte Shila leise und wandte den Kopf ab, als eine Briese über das Deck wehte und ihr langes Haar aufwirbelte.

Und als wenn dies ein unsichtbarer Wink gewesen währe, verengte die Teufelsfrucht Nutzerin die Augen, bevor sie sich gänzlich richtung Steuerbord wandte. Sie musste nichts sagen, denn auch Finn hatte sich von der Reling abgestoßen und trat nun neben sie.

Ohne ein weiteres Wort, zog er aus dem Gürtel an seiner Hüfte ein Seerohr und richtete es auf eine entfernte Stelle am Horizont.

Dort, wo Shila und er ein schwaches, flackerndes Licht entdeckt hatten, dass ganz und gar nicht nach einem Stern aussah.

"Was ist es?" Fragte Vaith, der aufgestand war und sich zu den beiden gesellte.

Kimora und Jeffrey tauschten einen Blick, blieben aber an Ort und stelle.

Wortlos reichte Finn es dem Blonden und er setzte das Rohr an, um selbst zu sehen, was die beiden bemerkt hatten.

Indes blickte Finn in den Sternenhimmel empor, just in diesem Moment frischte der Wind auf. "Wie ein böses Omen." Flüsterte Shila und folgte dem unbestimmten Blick Finns in den Himmel.

Kimora fröstelte, da der Wind kühl von Achtern her kam und Jeffreys blasstrüber Blick verengte sich ein wenig.

"Shila." Sagte Vaith langsam, aber mit einem Ton, der keinen Wiederspruch duldete.

"Hol mir Benjamin an Deck. Das hier wird ihn interessieren." Doch bevor er die junge Frau gehen ließ, fing er ihren Blick ein. "Und bring auch Fenrir an Deck. Es wird Zeit, dass wir klarheiten schaffen." Während er ihren Blick gefangen gehalten hatte, reichte er Finn sein Seerohr zurück. Die junge Frau nickte, als Vaith nichts mehr zu sagen hatte und verschwand.

 

Benjamin setzte das Seerohr ab und reichte es Finn zurück, der es wieder Sorgfältig in die lederne Tasche zurück schob, die er extra für dieses an seinem Gürtel trug. Sein Gesicht sprach in diesem Moment Bände und wenn Vaith ehrlich war, dann konnte er den Unmut darin sehr gut nach vollziehen.

"Welche Flagge führen sie?", fragte er jetzt nun etwas grimmiger, als er es vielleicht beabsichtigt hatte.

Das es nicht die Marine war, war deutlich zu sehen gewesen. Zum einen, da die Flagge ihnen mehr als bekannt war und zum anderen war der Schiffstyp auch der falsche.

Bei diesem Schiff handelte es sich um eine Galessa. Ein hochseetüchtiges Schiff, mit schlankem Bug und einem Unterwasserramsporn, dass sowohl Segeln konnte, aber auch mit Rudern in Betrieb genommen werden konnte.

Ein Typisches Beispiel für ein Piratenschiff.

Doch dieses stach durch seine beinahe schwarze Farbe hervor und obwohl sie das Licht inzwischen gelöscht hatten, konnte man ihre Siluette gut erkennen, wenn man wusste, wo man suchen musste. Denn dort wo das Schiff segelte, verdeckte es die Sterne am Horizont.

"Wir wissen es nicht, dafür ist es zu dunkel", gab Vaith zähneknirschend zu. "Aber wer auch immer es ist, wollte nicht, dass wir sie sehen."

Benjamin schien das anders zu sehen, denn er verzog ein wenig das Gesicht.

"Wenn sie wirklich gewollt hätten, dann hätten wir sie erst dann gesehen, wenn es schon viel zu spät ist", bemerkte er grimmig.

"Das sehe ich auch so", wandte Shila ein, die mit wehendem Haar, neben ihnen stand und die Arme, wie üblich, unter ihrem üppigem Busen verschränkt hatte. Ihr Blick war nicht weniger grimmig als Benjamins, oder Vaith.

Das sie hier oben am Steuerrad stand, war kaum verwunderlich. Neben Vaith als Vize, war sie die erste Kämpferin des Schiffes. Sie mochte nicht die Älteste auf dem Schiff sein, aber ihre Kampfkraft war kaum mit denen der Anderen zu vergleichen. Sie besaß nicht umsonst ihre Stellung auf diesem Schiff, auch wenn es Jeffrey gelegentlich schwer viel, sich ihr unter zu Ordnen.

Celeste hingegen, die mit Jeffrey so ziemlich gleich gestellt war, besaß da weniger Probleme sich ihr zu fügen und ihren Anweisungen folge zu leisten.

Ein weiterer Grund, warum sie hier, neben Vaith und Benjamin stand, war der einfache, dass Benjamin sie mit am längsten kannte und ihr vertraute. Sie war mit seinem Vizen seine engste Vertraute.

Ihr Wort besaß auf dem Schiff ähnlich viel Wert, wie Vaith seines.

Zusätzlich zu Vaith und Shila, stand noch Finn hinter dem Steuerrad und hielt es in seinen Händen, während sein Blick immer wieder zum Himmel hinauf glitt, als wolle er überprüfen das der Himmel noch immer so klar war, wie nur wenige Augenblicke zuvor.

Jedoch schwieg er bisher und es sah nicht so aus, als wolle er sich in dem Gespräch der drei einmischen.

"Wo ist Kouga?", wollte Benjamin an seinen Vizen gewandt wissen, ohne diesen an zu sehen.

"Ich bin hier." Der große, breitschultrige Mann, mit dem eher gleichgültig wirkenden Gesichtsausdruck, kam gerade die Treppe zur Brücke empor und gesellte sich zu ihnen.

Automatisch suchten seine Augen den Horizont ab, wobei sich das schwächer werdende Sternenlicht sich leicht in dem befremdlich, gelben Blick zu spiegeln schien.

"Gut", sagte Benjamin und musterte den Schiffszimmermann. "Ich hab ein schlechtes Gefühl bei der Sache, ich will vorbereitet sein, sollten wir im Notfall schnell verschwinden müssen." Kouga wandte sein Gesicht seinem Kapitän zu, wobei er eine seiner etwas buschig wirkenden Brauen hob.

"Ich will dass du dafür sorgst, dass wir schnell genug unsere Flügel ausbreiten können", erklärte Benjamin ohne größere Umschweife und Kouga nickte.

"Es ist 'n Weile her, aber ich denke unser Mädchen macht das schon." Ein seltenes Grinsen huschte über die harten Züge des Mannes, bevor er sich mit einem Nicken abwandte und die Brücke wieder verließ.

Gerade als Kouga die Treppen hinabstieg, kam ihm Fenrir am Treppenabsatz entgegen und als sie ihn sah, wich sie verhalten zurück. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, den sie scheu erwiederte und kam dann die Treppen empor. Dicht gefolgt von Celeste, auf dessen vollen Lippen wie immer, ein fröhliches Lächeln lag.

Benjamin sah sie, bevor sie zu ihnen hoch kam und warf Vaith einen fragenden Blick zu. 

"Es ist wichtig dass sie hier ist. Zumindest für diesen Moment." Er ließ die Arme sinken und drehte sich zu der jungen Frau um, die etwas verschlafen wirkte, sonst aber mit wachem Blick die Gesichter der anwesenden musterte.

"Shila", sagte Ben und die rothaarige Kämpferin schenkte ihm seine Aufmerksamkeit.

"Ich will das alle auf ihrem Posten sind, bevor dieses Schiff uns kreuzt." Sein Blick reichte um ihr alles weitere ungesagte mit zu teilen. So verließ auch sie die Brücke und so blieben nur noch Finn und Vaith, als die beiden Frauen sich schließlich zu ihnen gesellten.

Oder viel mehr Fenrir, denn Shila ergriff Celestes Arm am vorbeigehen und zog diese ungefragt mit sich, wobei sie die Designerin direkt mit Anweisungen überhäufte, sodass sie kaum die Zeit fand sich von Fenrir zu verabschieden.

Fenrir sah ihnen stirnrunzelnd nach und wischte sich eine ihrer Strähnen aus dem Gesicht, als der leichte Wind ihr das Haar ins Gesicht wehte.

Erst dann wandte sie sich Benjamin zu, der mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zu ihr gewandt stand und sie schon zu erwarten schien.

Auch wenn sein Blick etwas anderes erzählte.

Ein Blick zu Vaith verriet ihr, dass nicht Ben sie hatte sehen wollen, sondern dass sie wegen dem Blonden hier war, weshalb sie kurz eine Braue hob.

"Warum bin ich hier?", fragte sie leise und trat neben Benjamin der zwischen sich und Vaith deutete.

Ohne ein Wort, nahm Vaith Finn sein Seerohr entgegen und hielt es der schlanken Frau hin. Sie sah auf das Seerohr und nahm es, wenn auch etwas zögerlich, in die Hand.

Fragend sah sie von einem zum anderen.

"Richtung Steuerbord am Horizont sahen wir ein Schiff. Ich möchte dass du es dir anschaust", erklärte Vaith.

Fenrir betrachtete das Seerohr für einen Moment lang in ihrer Hand, bevor sie zu Benjamin sah, der nur nickte.

Also zuckte sie mit den Schultern und setzte es an ihr rechtes Auge um den Horizont ab zu suchen. Zunächst viel es ihr schwer, bei der Dunkelheit etwas zu erkennen, auch wenn der Morgen sich bereits langsam ankündigte und die Sterne zu verblassen begannen.

Doch dann fand sie die schwarze Siluette des Schiffes und... erstarrte im selben Moment. 

Über Vaith Lippen huschte nur sehr kurz ein leichtes Lächeln, doch dieses entging Benjamin nicht, doch er sagte nichts.

"Du weißt wessen Schiff das ist?", schloss der Blonde aus der Reaktion Fenrirs.

Diese setzt langsam das Seerohr ab und starrte wie ein verängstigter Vogel zu diesem fernen Punkt, als hätte sie die Katze erblickt, die sie fressen wollte.

"Dyrian", sagte sie langsam. "Das ist Dyrians Schiff." Plötzlich hob sie die Hand und krallte ihre Finger in Benjamins Ärmel, der sie überrascht ansah. Als sie zu ihm empor blickte, war ihr Blick voller Angst. Beinahe schon panisch.

"Bitte", sagte sie mit bebenden Lippen und zitternder Stimme. "Er darf mich nicht finden!"

Gerade als Benjamin etwas sagen wollte, legte Vaith eine Hand auf ihre Schulter und sie sah zu dem blonden Archologen empor.

"Ich sehe das auch so." Er schenkte ihr ein warmes Lächeln, bevor er sich mit Ernst in den Augen an seinen Kapitän wandte.

"Ben", sagte er eindringlich. "Sie darf diesem Piraten auf keinen Fall in die Hände fallen."

Benjamin verengte kurz die Augen. "Du hast etwas heraus gefunden", stellte er fest und Vaith nickte.

"Ja, aber genaueres erzähle ich dir später. Erst einmal ist es wichtig, Fenrir vor ihm zu verstecken. Egal was passiert, wenn unsere Vermutungen richtig sind, ist es ein fataler Fehler, wenn dieser Dyrian Fenrir findet und in die Hände bekommt."

Einen Moment lang, schien Benjamin unwillig, doch dann nickte er.

"Ich vertraue dir, Vaith. Verstecke sie. Wir werden dafür sorgen dass dieser Dyrian sie nicht findet." Er griff Fenrirs Hand und drückte sie kurz, wobei er ihr ein warmes lächeln schenkte.

"Ich sagte ja, wir werden nicht zu lassen, dass dir jemand weh tut." Erleichterung blitzt in ihren matt violetten Augen auf, bevor sie nickte und sich von Vaith weg führen ließ.

Zurück blieben nur Finn und Benjamin, der den beiden kurz nach sah, bevor er sich an seinen Navigator wandte.

"Bleibt das Wetter klar?" Der junge Mann nickte.

"Der Wind frischt nur etwas auf." 

 

"Kapitän." Benjamin drehte sich um und blickte in Kimoras Gesicht, die unbewegt auf der Reling saß und ihn aus ihren mattblauen Augen heraus musterte.

Fast schon tat es weh, in diese Augen zu blicken, zumal er sie gerade erst gesehen hatte. Nur in einer anderen Farbe, aber mit dem selben dumpfen Ausdruck. Ein Ausdruck, bei dem er sich jedes mal zusammenreißen musste, nicht etwas zu klein Holz zu verarbeiten.

Für einen Moment ballte er die Fäuste, doch dann entspannte er sich.

"Ich habe eine Aufgabe für dich", verkündete er und auf den schmalen, rötlichen Lippen der Meeresbewohnerin entstand ein schwaches Lächeln.

Keines, das ihre Augen erreichte oder sie gar berührte.

"Sonst wäre ich nicht hier", erwiderte sie und machte eine ungeduldige Geste mit der Hand, um ihm zu zeigen, dass er fortfahren sollte.

 

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