6.Kapitel: Heimkehr

Wellen schlugen gegen den Rand der Wanne, als Fenrir sich auf die Seite lehnte und ihre Arme auf den Badewannenrand ablegte. Ihr Blick war etwas trüb und wirkte auf Ben etwas schläfrig. Mittlerweile hatte sich der Dunst des heißen Wassers über das Bad gelegt und erzeugte eine nebelähnliche, heimelige Atmosphäre.

Er musste zugeben, dass auch ihm in seinen Kleidern ziemlich warm wurde.

Ihre geröteten Wangen, verrieten ihm, dass sich das heiße Bad auf sie auswirkte. 

"Wo kommst du her?", fragte er unvermittelt und Fenrir brauchte einen Moment, bevor seine Worte zu ihr durchdrangen.

"Keine Ahnung", murmelte sie, als wäre sie etwas erschöpft.

Benjamin verschränkte die Arme vor der Brust.

"Wie kamst du ins Meer?", fragte er weiter.

"Ich weiß es nicht", gab sie zurück.

Benjamin hob eine Braue.

"Wie alt bist du?"

"Ich weiß es nicht."

Er schwieg.

"Weißt du irgendetwas darüber wer du bist?"

Doch Fenrir schüttelte den Kopf, woraufhin sich Bens Schultern senkte und er seufzte.

"Layla hat also recht, du hast eine vorrübergehende Amnesie."

Nun wurde Fenrir etwas wacher und blinzelte ein paar Mal, ehe sie Ben etwas aufmerksamer ansah. "Wie meinst du das?"

Er hob die Hand und begann sich am Hinterkopf zu kratzen.

"Was auch immer mit dir passiert ist, du hast wohl was auf den Kopf gekriegt oder so, das hat dazu geführt, dass du deiner Erinnerungen verloren hast oder das was dir passiert ist, war zu schlimm, als dass es dein Geist ertragen hätte. Jedenfalls hast du deine Erinnerungen daran verloren, wer du bist und woher du kommst."

Fenrir hob den Kopf und sah den geschrumpften Mann an. "Bleibe ich für immer so?"

Doch Ben konnte lediglich mit den Schultern zucken.

"Layla ist der Ansicht, dass nur die Zeit bestimmen wird, ob das so bleibt, aber sie ist an und für sich der Meinung dass es lediglich vorübergehend ist."

"Also werde ich bald wieder wissen wer ich bin?" Er neigte den Kopf.

"Vielleicht, ja."

Erneut kehrte Schweigen ein, in welcher Fenrir ihren Kopf wieder auf den Badewannenrand legte.

Ben hingegen ließ es sich nicht nehmen, Fenrir zu betrachten.

Ohne Frage, sie war eine wunderschöne Frau in seinen Augen und genau das machte es ihm so schwer, zu verstehen wie man ihren Körper derart misshandeln konnte.

Sie mochte nicht entstellt sein und man hatte ihr Gesicht weitesthehend in Ruhe gelassen, jedoch konnte man auch deutlich sehen, wie grob man mit ihr umgegangen war.

Die Bastarde die Fenrir gefangen gehalten hatten, wie Ben vermutete, hatten sich offenbar nicht viel daraus gemacht, ihren Körper mit kleineren Wunden zu versehen.

Was ihn zu der Annahme brachte, dass man zumindest nicht vorhatte sie zu verkaufen. 

Beschädigte Ware, war im Sklavenhandel alles andere als angesehen.

Nur unbeschädigte Ware, die so schön wie Fenrir war, erzielte einen hohen Preis.

Wenn es aber nicht darum ging, Fenrir zu verkaufen, was wollten diese Bastarde dann von ihr?

Soweit Layla das hatte beurteilen können, war Fenrir nicht mehr als körperliche Gewalt angetan worden.

Schlim genug, wenn man Benjamin fragte, jedoch war er froh darum, dass man sich nicht anderweitig an ihr vergangen hatte.

Also lag den Bastarden auch nicht daran, sich an einer unschuldigen Frau zu vergehen.

Was bedeutete, dass Fenrir einen anderen Wert gehabt haben musste.

War sie vielleicht die Tochter eines Reichen? Eines Adligen? Oder vielleicht sogar eine Königstochter?

Das zumindest wäre nicht weit hergeholt, immerhin war es normal die Kinder reicher Leute durch aus zu verletzen, auch damit der Druck bei dem Haus, bei dem sie Erpressungen vollzogen auch schneller zahlten.

Doch war Fenrir tatsächlich die Tochter eines Adligen oder gar eines Königs?

So sehr alles dafür sprach... irgendetwas sagte ihm, dass er damit weit fehlte.

"Ben." Ihr Blick bohrte sich in seinen, als er ihr ins Gesicht schaute. "Ich mag mich an nichts erinnern, aber irgendwie..." Sie hob den Kopf und wandte das Gesicht, bis sie ungefähr nach Süden zu schauen schien. "....ich weiß nicht...." Sie zuckte hilflos mit den Schultern ohne zurück zu ihm zu sehen. "....zieht es mich nach Süden. Ich habe das Gefühl, das dort etwas Wichtiges auf mich wartet. Als gäbe es etwas, das ich tun müsste."

Der Braunhaarige Kapitän stützte nachdenklich sein Kinn auf seine Faust und musterte sie aus seinen dunklen, schokoladenfarbenen Augen.

"Nach Süden?" Es war tatsächlich eigentlich mehr eine Feststellung als eine Frage, dennoch wandte sich die Rosahaarige ihm wieder zu und nickte.

Benjamin schloss die Augen und dachte nach.

Süden.

Was gab es im Süden für Inseln?

Doch wenn er ehrlich war, kam von den dortigen Inseln jede in Frage oder auch keine.

Fenrir bot zu wenig Anhaltspunkte um bestimmen zu können, woher sie vielleicht stammen mochte.

Zudem, wäre es eine weite Reise gewesen, vom Süden bis auf die Grandline.

Hinzu kam, dass sie sich relativ weit am Anfang der Grandline befanden und sie an der äußersten Südseite ankerten.

Beinahe schon zu nahe am Calm Belt.

Für Bens Geschmack, beinahe schon zu nahe, doch er vertraute seinem Navigator, der sie bis hier her gebracht hatte und sie auch wieder hinaus bringen würde.

Vielleicht konnte er ja Kimora oder auch Linus danach Fragen, welche Inseln es im Southblue gab, von denen Fenrir stammen könnte. Immerhin, ihr Haar war ein sehr markantes Merkmal und wenn es von einer bestimmten Insel stammte, dann hatten sie zumindest schon einmal einen Anhaltspunkt.

Oder er fragte schlicht und ergreifend Vaith.

Der Archologe besaß ein erstaunlich großes Wissen und vielleicht konnte er auch genaures darüber sagen. 

 

~ * ~ * ~ * ~

 

Indes am Heck des Schiffes, tauchte an der Wasseroberfläche ein Kopf auf und schaute an der Schiffswand empor. Der ozeanblaue Blick, verengte sich etwas, als er den Abstand von der Oberfläche bis zu den Pfosten der Reling abschätzten. Ein Sprung, den sie locker schaffen sollte. Wie auch die vielen Male zuvor, die sie schon vom Meer aus, bis hinauf gesprungen war.

Lautlos tauchte die Meerjungfrau wieder unter Wasser und nahm etwas Abstand, bis sie die glitzernde Oberfläche in einiger Entfernung über sich sah. Mit einem letzten prüfenden Blick, entschied sie, dass dies reichen sollte, um die Reling zu erreichen und sich schließlich an ihr hoch zu ziehen.

Dann schoss sie geradewegs und senkrecht empor, nahm dabei ein unglaubliches Tempo auf und durchstieß die Wasseroberfläche wie ein Pfeil. Genauso schnellte sie auch empor und mit einem leichten Lächeln, streckte sie die Hände nach dem Holz aus.

Die Höhe, die sie geschätzt hatte, war gut gewesen, denn der Schwung reichte um sie genau dort hin zu bringen, wo sie hin wollte. Sogar noch ein Stückchen höher und als die Schwerkraft ihren Körper wieder nach unten zog, überraschte sie ihr eigenes Gewicht weniger als erwartet.

Selbstsicher griff sie mit der zweiten Hand nach der Reling um mehr Halt zu bekommen, doch genau in diesem Moment, rutschte ihre nasse Hand ab und innerlich stieß sie einen Fluch aus, während sich ihre Augen weiteten. Damit hatte sie nicht gerechnet.

Sie spürte schon den harten Aufprall, als ein Ruck durch ihren Arm ging und sie plötzlich mitten in der Luft hängen blieb.

"Ich hab dich!" Über ihr war ein blasses Gesicht erschienen dessen tiefschwarze Augen von dunklen Schatten umrandet wurden. Doch das Lächeln, was Jeffrey O'Connor ihr schenkte, war weniger düster als sein plötzliches, schon beinahe geisterhaftes Auftauchen. "Ich zieh dich hoch, reich mir die andere Hand." Er streckte ihr seine zweite Hand entgegen und stützte sich nun nur noch durch sein eigenes Körpergewicht ab, welches durch die Reling unterstützt wurde. 

Blinzelnd sah Kimora Ranku ihm entgegen, ehe sie ihm ihre Hand reichte und sein Handgelenk umschlang.

Sein Lächeln ließ nicht nach, als ihre dünnen Schwimmhäute, seine Hand berührten.

Mit einer schier unfassbaren Mühelosigkeit, zog der doch etwas zierlich gebaute, junge Mann die Meerjungfrau auf die Reling.

Bis sie ihren wohlgeformten Hintern auf die Reling setzte und ihn schweigend, aber faszniert ansah.

Dabei hob sie eine Hand und strich sich ihr dichtes, Silberweißes Haare hinter eines ihrer Ohren.

Jeffrey hingegen, betrachtete die Meerjungfrau seinerseits und schüttelte bei ihrem Anblick schließlich den Kopf.

"Es ist immer wieder unfassbar, dich zu sehen, Kimora." Er grinste und trat neben sie an die Reling, um über diese hinweg, auf ihren herunter baumelnden Fischschwanz zu sehen. Dieser war in seiner Länge noch einmal so groß wie ihr Körper und so maß die Meerjungfrau mit Sicherheit ihre zwei Meter und zehn.

Sie jedoch zog nur fragend eine Braue hoch.

Er ließ sich Zeit mit seiner Erklärung wie er es meinte.

Kimora war eine Koimeerjungfrau und besaß als solche eine Rot-weiß-schwarze Musterung, die ihren gesamten Körper bedeckte.

In seinen Augen, war sie etwas ganz Besonderes.

Er war noch nie zuvor einer Meerjungfrau begegnet und hatte sich vieles über sie sagen lassen, aber nur wenig darüber zu Kenntnis genommen. Doch als er Kimora gesehen hatte, musste er sich eingestehen, dass keine der Geschichten auch nur ansatzweise beschrieb, wie schön so eine Meerjungfrau eigentlich war.

Mit ihren langen, eleganten Flossen und Bewegungen, zogen sie durch das Meer wie Schatten. Nichts erreichte eine annähernde Geschwindigkeit wie eine Meerjungfrau im Wasser.

Obwohl er Kimora auch gerne vom Nahen betrachtete, so musste er zugeben, dass er es deutlich mehr mochte, sie im Wasser schwimmen zu sehen.

An Land wirkten ihre Bewegungen doch etwas plumper und schwerer, als im Wasser.

Nichts was er ihr je verübeln würde, da sie selbst hier an Land noch eine gewisse Würde ausstrahlte, die man nicht verachten konnte, doch im Wasser war sie eben zu Hause. Und das war etwas, was man deutlich spürte.

Er hob den Kopf und sah ihr in ihre kristallklaren Augen, die das wiederspiegelten, was er so sehr liebte: Das Meer.

"Du bist wahrlich eine Schönheit!", gab er zu und wurde beinahe selbst etwas rot, als er ihr ein so offensichtliches Kompliment machte.

Er war es nicht gewohnt, großartig Komplimente an eine Frau zu richten, aber hier und jetzt, hatte er es als passend empfunden.

Was Jeffrey nicht sah, da er peinlich berührt weg schaute, dass sich auf Kimoras Wangen ebenfalls ein leichter Rotschimmer abhob und ein, "Danke" vor sich hin murmelte. 

Gemeinsam warteten sie, bis Kimoras Fischschwanz trocknete und sich dann in zwei Beine verwandelte, die sie schließlich über die Reling hob und sie selbstsicher auf das Deck der White Flame setzte. Ohne darüber nach zu denken, stand sie auf und kippte direkt weg, als ihre Knie nachgaben.

Alles was Kim noch von sich geben konnte, war ein überraschter Laut, der ihrer Kehle entwich. Doch bevor sie sich auf das Deck setzen konnte, war Jeffrey bei ihr. Auch wenn er dafür auf ein Knie gehen musste, so hatte er sie jedoch fest in seinen Armen und sah sie genauso überrascht an, wie Kimora ihn.

Irgendwie hatte er es geschafft sie im Fallen zu drehen, sodass sie nun quasie auf seinem angewinkelten Bein saß und auf ihn hinab sah. Ihre Hände hatten sich in seinen Schultern verkrallte und er hielt ihren Rücken und ihre Hüfte, während Jeff ein wenig zu ihr hinauf sehen musste.

Doch dann lächelte er etwas schief.

"Du warst knapp zwei Tage unterwegs, du solltest es langsam angehen, Kimi." Sie blinzelte zwei Mal, bevor sie das Gesicht wegen des Spitznamens etwas verzog, doch dann nickte sie.

"Ja vielleicht." Erst hier widmete sie ihren Beinen einen kurzen Blick und besah sie, als würde sie ihnen einen Vorwurf machen. Erst hier bemerkte sie das Zittern in ihnen.

Tatsächlich war sie lange nicht mehr, so lange vom Schiff fort gewesen, weshalb sie ihre Flosse etwas beansprucht hatte. Immerhin hatte sie sich in diesen zwei Tagen kaum Ruhe gegönnt. Benjamin hatte sie vorausgeschickt und sie gebeten, zu sehen, wie es vor ihnen aussah. Doch der Krieg zog immer größere Bahnen und langsam erreichte es auch die Gebiete vor ihnen. Noch war die Front an sich weit entfernt, aber man spürte die Auswirkungen auch hier schon. Der Krieg um den nächsten großen Piratenkönig, wurde bereits seit zwei Jahren gefochten. Zwei Jahre war es bereits her, seit Monky die Ruffy als Piratenkönig abgetreten und verschwunden war. Man munkelte das er nach Raftel gesegelt war. Die letzte Insel in der neuen Welt, doch so richtig glauben, konnte es Kimora nicht.

"Durch böse Blicke, wird es auch nicht besser", erklärte Jeffrey und zog die Hand um ihrer Hüfte fort, um sie unter ihre Knie zu schieben. Als es plötzlich in die Höhe ging, klammerte sich Kimora ganz automatisch an Jeffrey fest.

"Du hast Glück, ich hab grade nach Shirkhan gesehen und wollte zurück zur Mensa. Aber ich denke, Layla sollte dich einmal durchchecken." Sie warf Jeffrey einen Blick zu.

"Muss das sein?" Wollte sie kleinlaut wissen, was jedoch eigentlich überflüssig war. Der Besuch bei der Ärztin war definitiv überfällig. Sicherlich würde ihr Layla die Ohren voll jammern, warum sie nicht direkt nach ihrer Rückkehr zu ihr gekommen war, wenn sie jetzt Jeffrey bitten würde, sie einfach in ihr Quatier zu bringen.

Obwohl der Bericht an Ben auch noch anstand, so musste sie zugeben, dass sie einfach müde war.

"Ja, es muss sein." Damit drehte Jeffrey sich um und nahm einen zielgeraden Weg Richtung Krankenzimmer.

Sein zweiter Besuch, an diesem Tag, dachte er amüsiert.

 

~ * ~ * ~ * ~

 

Seufzend lehnte sich Layla zurück und legte den Kopf in den Nacken, wobei die Rückenlehne ihres Schreibtischstuhls ein wenig knarzte. Für einige Momente gönnte es sich die Wolfsdame, die Augen zu schließen und ihre Gedanken ewas kreisen zu lassen. Seit sie Fenrir ins Bad geschickt hatte, wälzte die Ärztin einige der Akten ihrer Crewmitglieder und hatte sie zum Teil um einige Zeilen oder Seiten erweitert.

Heute hatte sie ein wenig mehr Besuch gehabt als sonst, weshalb sie den Papierkram nicht hatte aufschieben wollen.

Layla war in der Regel eine eher ordentliche Person, die ihren Job als Ärztin sehr ernst nahm, weshalb sie sich auch darum bemühte, auch nur die winzigsten Vorkommnisse zu Dokumentieren. Selbst der kleinste Kratzer konnte schwerwiegende Konsequenzen haben und zu wissen, woran sich der jenige gekratzt hat, war für Gegenmaßnahmen unglaublich wertvoll.

Mit einem weiteren Seufzer erhob sich die weißhaarige junge Frau und ließ ihre Wolfsohren hängen, um sie ein wenig zu entspannen. Müde rieb sie sich den Nacken und nahm sich dann die Dokumente derer, die heute bei ihr waren um sie zurück an ihren Platz zu legen.

Dabei rutschte eine der Akten aus dem Stapel.

Sie viel auf die Kante und blieb kurz senkrecht stehen, bevor sie zur Seite kippte und ruhig liegen blieb.

Auf der lilafarbenen Mappe stand in großen Buchstaben der Name 'Fenrir'.

Die Akte war im Vergleich zu denen der anderen sehr dünn und entiehielt kaum mehr als wenige Papiere.

Geistesabwesend legte Layla die Mappen der anderen beiseite und trat an ihren Schreibtisch, wo sie auf die Mappe hinab starrte. Ohne darüber ernsthaft nach zu denken, schob sie einen Finger zwischen die Mappe und öffnete diese.

Auf dem Deckblatt stand kaum mehr als der Name der junge Frau und ein paar wesentliche, offensichtliche Fakten, so wie eine grobe Skizze der jungen Frau.

Doch nichts genaueres über die Fremde.

Layla blätterte die Seite um und betrachtete die wenigen Notizen zum momentanen Zustand, sowie der letzten zwei Tage, als sie die junge Frau aus dem Meer gefischt hatten.

Besonders auffällig waren vor allem die wiederholten Notizen, dass offenbar keine der Schmerzrezeptionen der Frau auch nur im Ansatz Reaktion zeigten.

Normalweise war es so, dass wenn man sich Schnitt man Schmerz verspürte. Dieser Schmerz war quasi so etwas wie ein Signal an das Gehirn, dass dort etwas nicht stimmte. Es sollte dem Gehirn sagen, dass es etwas gegen die offene Wunde unternommen werden sollte, weshalb das Gehirn Signale an den Körper weiter gab, an dieser Stelle den Regenrationsprozess zu aktivieren, sodass die Wunde verheilen konnte.

Doch bei Fenrir war das nicht so. Obwohl der Körper Regenrationsmaßnahmen ergriff, verspürte die Frau keinerlei Schmerz, nach ihren eigenen Aussagen. Auch bei frischeren Wunden nicht.

Mit ihrer Erlaubnis hatte Layla der jungen Frau einen Schnitt in der Handfläche verpasst, doch diese hatte gemeint, dass sie so etwas wie Schmerz nicht spüren würde.

Jedoch das warme Blut durch aus wahrnehmen würde.

Etwas, was Layla schon die ganze Zeit über beschäftigte und auch nicht mehr los ließ.

Es könnte mit ihrer Amnesie einher gehen, jedoch war sich Layla nicht ganz sicher.

Denn es gab auch die Möglichkeit das Fenrir seit ihrer Geburt an, schon keinen Schmerz mehr verspüren könnte.

Oder...

Doch bevor sich Layla weitere Gedanken darum machen konnte, richteten sich ihre Wolfsohren auf und zuckten, als sie draußen vor ihrer Tür Schritte wahrnahm und dann die Tür aufging.

Ihr rötlicher Blick hob sich und traf den tiefschwarzen von Jeffrey, der plötzlich in der Tür stand.

In seinen Armen lag Kimora Ranku, die es tunlichst vermied der Ärztin auch nur im entferntesten entgegegen zu schauen.

"Kimora!", machte Layla überrascht, woraufhin sich Kims Wangen leicht rötlich färbten.

"Bin wieder da", nuschelte die Meerjungfrau beinahe unverständlich.

Mit nur einem geübten Blick wusste Layla beinahe sofort, warum Jeffrey die störrische Meerjungfrau hier her gebracht hatte und sofort verwandelte sich die Überraschung in Laylas Gesicht zu Ernst.

"Seit wann bist du wieder da?", fragte sie und wies Jeffrey mit einer Bewegung ihrer Hand an, sie auf das zweite Krankenbett zu legen.

"Ich hab ihr vor knapp einer halben Stunde an Bord geholfen", erklärte Jeffrey für Kimora und legte die junge Frau vorsichtig auf das Bett ab, in dem er selbst vor wenigen Stunden von Finn abgelegt wurde.

Er machte einige Schritte zurück, als Layla sich ihren Behandlungshocker hervor zog und sich darauf nieder ließ, um dann damit ans Bett zu rollen. Jedoch machte es sich die Wolfsdame nicht sonderlich schwer, in dem sie die Behandlung oben begann, sondern direkt zu ihren Beinen, die selbst für einen ungeübten Blick, deutlich am zittern waren.

Als wenn ihr das etwas bestätigte nickte sie und begann damit ihre Hände über die empfindlichen Beine der Frau wandern zu lassen, wobei sie hier und da, fester zu packte, als an anderen stellen. An bestimmten Stellen, gab Kim einen entsprechenden Laut, wenn die Berührung zu hart oder zu kitzelig war.

Jeffrey selbst, zog sich den Schreibtischstuhl heran und ließ sich so darauf nieder, dass die Rückenlehne direkt vor ihm war und er bequem seine Arme darauf ablegen konnte. Dabei begann er mit seinem linken Fußballen auf und ab zu wippen, während er interessiert zu sah, was Layla da tat.

Kim selbst, ließ es möglichst still über sich ergehen und schien nur darauf zu warten, bis es endlich vorbei war. Jedoch viel dem blasshäutigen Mann nach nur kürzester Zeit auf, dass sich die Meerjungfrau offenbar schwer damit tat, die Augen offen zu halten.

Layla hingegen war über das Zittern in den Beinen der Meerjungfrau nicht wirklich überrascht. 

Zwei Tage war sie für Ben ununterbrochen unterwegs gewesen und die Wolfsdame mochte Wetten, dass Kim nicht sehr viel darauf geachtet hatte, sich großartig selbst zu schonen.

Seit sie die junge Frau vor mehr als einem halben Jahr aus einem Riff gefischt hatten, mehr tot als lebendig, hatte sich Kimora nie weit vom Schiff entfernt, nachdem Layla sie wieder aufgepeppelt hatte.

Was hieß, dass Kimora sich dieses mal einfach schonungslos an ihre Grenzen gebracht hatte.

Etwas worüber die Ärztin einfach nur den Kopf schütteln konnte.

"Sei das nächste Mal nicht so rücksichtslos zu dir. Wenn du es noch mal so übertreibst, kann ich dir nicht verpsrechen, dass sich deine Beine je wieder davon erhohlen werden. Wenn es schlimm kommt, wirst du über mehrere Wochen ans Bett gefesselt sein." Sie warf Kimora einen scharfen Blick zu, die ihre Augen weit aufriss und die Ärztin entsetzt anstarrte.

Schockiert öffnete sie den Mund, schloss ihn jedoch wieder, als ihr nichts dazu einfiel.

Jeffrey hingegen hob lediglich eine Braue und als Kimora hilfesuchend zu ihm sah, konnte er lediglich mit den Schultern zucken.

Layla war die Ärztin, sie würde wissen, wovon sie sprach.

Das diese Aussage völlig übertrieben war, konnten beide nur schwer ahnen.

Layla besaß einen Hang für Dramatik und hielt ihren Patienten oft die schlimmst möglichsten Ausgänge vor die Nase. Es war mehr eine Macke, als wirklich ernst zu nehmen.

Dennoch war es nie auszuschließen. Möglich war immerhin alles.

Jeffrey der sich sichtlich über Kims schockiertes Gesicht amüsierte, wandte den Blick schließlich ab und nur zufällig viel dieser auf den Schreibtisch der Ärztin. Neben den tiefen Furchen im Holz, die ihn eine Braue heben ließ, viel ihm die offene Akte auf, die mitten auf dem Schreibtisch lag.

Seine Augen überflogen beinahe schon wie automatisch die geschriebenen Zeilen und der junge Kämpfer brauchte nicht lange um zu erkennen dass es Laylas Schrift war.

Doch nicht die Schrift ließ ihn seine Brauen zusammen ziehen, sondern viel mehr die Worte an sich, die nieder geschrieben wurden.

Wie gebannt, wandte er sich dem Dokument zu und zog die Mappe näher zu sich heran, um besser lesen zu können.

 

"Schmerzrezeptionen zeigen keine reaktion, selbst bei frischesten Wunden nicht.

Es ist als ob die Empfindung des Schmerzes bei der Patienten wie betäubt oder schlicht nicht vorhanden währen. 

Woran es liegen könnte, kann ich bisher nur Spekulieren, doch fand ich immer wieder kleinere Einstiche in Hals und Armbeugen.

Beinahe als wenn man der Patienten etwas gespritzt hätte..."

 

Jeffreys Augen weiteten sich und ohne darüber nach zu denken, blätterte er die Seite zurück. In großen, schwarzen Buchstaben stand der Name 'Fenrir' auf dem Deckblatt und es gab eine etwas genauere Skizze von der Frau zu sehen, die sie vor zwei Tagen an Bord geholt hatten, nachdem Shirkhan sie im Meer treiben sehen hatte.

Doch ansonsten gab es nichts zu lesen.

Weder woher sie kam, noch wer sie war.

Lediglich einige wenige Fakten zum Aussehen der Frau, etwa wie die Augen- oder Haarfarbe.

Es gab auch einen Fingerabdruck aus Tinte, aber ansonsten gab es nichts.

Sein Verstand war wie leer, als er wieder weiter blätterte und die Seiten weiter durchging.

Und bei einer weiteren Zeile blieb er hängen.

Doch dann hob er den Kopf und wandte ganz langsam den Kopf, bis sein Blick den von Layla kreuzte.

Sie stand auf und trat beinahe lautlos zu ihm, wobei sie den Finger an ihre Lippen hob und gleichzeitig die Mappe schloss, die vor Jeff auf dem Schreibtisch lag. Nachdem sie die Mappe aufgenommen hatte, sah sie zu Kimora zurück, die ihre Augen geschlossen hatte und nun zu schlafen schien.

Sorgsam, legte sie die neu angelegte Mappe Fenrirs zu denen der anderen Crewmitglieder, als sie an das entsprechende Regal getreten war und bedeutete Jeffrey dann, ihr aus dem Zimmer zu folgen.

 

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